SRW Streik in Espenhain

IG Metall unterbricht SRW-Streik – Angebot an Arbeitgeber

03.05.2024 | Ab 6. Mai 2024 unterbricht die IG Metall den Streik im Schrott- und Recyclingunternehmen SRW metalfloat in Espenhain nach 180 Tagen und sendet damit ein konstruktives Signal an den chinesischen Geschäftsführer des Mutterkonzerns, Yongming Qin, der sich seit August 2023 Gesprächen zur Tarifbindung verweigert.

Foto: IG Metall

Auf der Streikversammlung am 3. Mai hat die Streikleitung beschlossen, den Streik ab 6. Mai zu unterbrechen.

„Wir gehen mit der Entscheidung einen gewaltigen Schritt auf den Arbeitgeber zu und können sagen, dass uns das nicht leichtfällt. Wir erwarten jetzt vom Arbeitgeber, dass gegebenenfalls mit externer Moderation ein Gesprächs-prozess darüber beginnen kann, wie die Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen kollektiv und rechtssicher von den Sozialpartnern vereinbart werden können“, sagt Michael Hecker, Verhandlungsführer und Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig.

Am 8. November 2023 hatten die Streikenden bei SRW metalfloat in Espenhain bei Leipzig ihren unbefristeten Arbeitskampf begonnen. Sie fordern die erstmalige Tarifbindung, weil sie ihre kollektiven Arbeitsbedingungen rechtssicher und auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber vereinbaren wollen.

Anfang des Jahres hatte der Arbeitgeber freiwillig an allen deutschen Scholz Recycling Standorten die Entgelte um 200 Euro angehoben und Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Aussicht gestellt. Mehrmals hatten SRW und der Mutterkonzern Scholz Recycling gegenüber Medien falsch behauptet, der Tarifkommission sei dieses Angebot übermittelt worden. Nachfragen der IG Metall blieben bis heute unbeantwortet bzw. es wurde mitgeteilt, dass Thomas Müller als Geschäftsführer der SRW metalfloat keine Angebote abgeben dürfe und keine Legitimation zu verhandeln besäße.

Daraufhin haben 100 streikenden Kolleginnen und Kollegen der SRW metalfloat gemeinsam mit der IG Metall Leipzig am 13. April 2024 dem Unternehmen einen Tarifvertrag zugestellt. Der von der IG Metall entwickelte Haustarifvertrag wurde auf Basis der vom Unternehmen veröffentlichten Werte geschrieben und entspricht den Entgelten, die der Arbeitgeber an den anderen deutschen Konzernstandorten freiwillig erhöht hat. Eine Antwort des Unternehmens steht bisher aus.

„Inzwischen haben sich einige Streikende Beschäftigung in tarifgebundenen Betrieben der Region gesucht“, berichtet Michael Hecker. „Für die Kolleginnen und Kollegen, die große Solidarität und Unterstützung aus den Gewerkschaften, der Politik und der Bevölkerung erfahren haben, waren die 180 Tage trotzdem kräftezehrend.“

„Es ist klar geworden, dass nicht die Höhe der Forderung ein Problem für den chinesischen Arbeitgeber ist, sondern das Werkzeug, mit dem man in Deutschland die in Verhandlungen gefundenen Kompromisse kollektiv und rechtssicher festschreibt. Das geht nun mal nur über einen Tarifvertrag. Mit der Unterbrechung und dem Angebot einer Moderation versuchen wir, eine neue Gesprächsebene zu eröffnen“, betont Steffen Reißig, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Leipzig. „Die Kreislaufwirtschaft ist ein enorm wichtiger Bereich in Zeiten von Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Allerdings sollten auch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten besser sein als knapp über dem Mindestlohn.“

Politikwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Schroeder, Uni Kassel/Wissenschaftszentrum Berlin: „Mit ihrem Streik setzen sich die Beschäftigten des Schrott- und Recyclingunternehmens SRW metalfloat für gute und faire Arbeit ein. Der Streik ist keine Absage an Leistung und Innovationsfähigkeit. Im Gegenteil: Es geht um die fairen Grundlagen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Im Modell der sozialen Marktwirtschaft sind dies auch Sicherheit durch Tarifbindung und Fairness im Arbeitsleben. Dies sind auch wesentliche Grundlagen unserer Demokratie und unseres Zusammenlebens. Das Arbeitsleben ist eine Ankerposition für eine gelingende biographische Entwicklung und für eine belastbare Demokratie. Faire Behandlung am Arbeitsplatz ist die Basis für Produktivität und Innovationsfähigkeit, aber eben auch für eine funktionierende Demokratie.“

 

Hintergrund:

Die IG Metall fordert gemeinsam mit den Beschäftigten 8 Prozent mehr Entgelt, eine Erhöhung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes auf je 1.500 Euro und eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden. Der Arbeitgeber verweigert seit August 2023 die Fortführung der Tarifverhandlungen.

 

Die Kolleginnen und Kollegen bei SRW metalfloat verdienen knapp über Mindestlohn, im Schnitt im Monat rund 600 Euro weniger als Beschäftigte in vergleichbaren Betrieben der Schrott- und Recyclingbranche. Die Kolleginnen und Kollegen leisten täglich körperlich harte Arbeit. Sie sind hohem Lärm und starker Staubbelastung ausgesetzt. Und immer droht die Gefahr, beim Sortieren oder Fahren in Kontakt mit gesundheitsgefährden Materialien zu kommen.

Das Unternehmen SRW metalfloat in Espenhain bei Rötha gehört als 100-prozentige Tochter zur Scholz Recycling Gruppe mit Sitz in Essingen in Baden-Württemberg. Mit der Rückgewinnung von Metallen wie Kupfer, Aluminium und Eisen erwirtschaftet die Scholz Gruppe Umsätze in Milliardenhöhe. In Leipzig arbeiten die Beschäftigten an einer sehr hochwertigen Scheide- und Rückgewinnungsanlage. Ende 2016 übernahm die Chiho Environmental Group Limited die Scholz Holding GmbH. Die Chiho Environmental Group Limited ist nach eigenen Angaben Chinas größtes Schrottrecyclingunternehmen und eines der größten börsennotierten globalen Unternehmen dieser Art. Zu den Aktivitäten gehört das Recycling von Eisen- und Nichteisenmetallschrott, Altfahrzeugen, Elektronikschrott und die Herstellung von Sekundäraluminiumbarren aus Aluminiumschrott. Die Chiho Environmental Group residiert in Hongkong und ist auf den Cayman Islands registriert. Das Unternehmen unterhält in Asien, Europa und Nordamerika mehr als 200 Verarbeitungsbetriebe und Werftbetriebe.

Die Restrukturierung der Mehrheitseigner der chinesischen Muttergesellschaft von Scholz Recycling verzögert sich seit 2023. Mehrheitseigner von Chiho ist mit rund 60 Prozent wiederum die USUM Investment Group, welche zur von Jinhua Tu kontrollierten Loncin Group gehört. Loncin ist ein Zulieferer für die Automobilindustrie in Deutschland. Diese Unternehmensgruppe befindet sich seit einiger Zeit in finanziellen Schwierigkeiten. Bereits vor einem Jahr stimmten Gläubiger und Insolvenzgericht einer Restrukturierung der Loncin-Gesellschaften zu. Diese sah den Einstieg der privaten Beteiligungs-gesellschaft China Partner Equity Investment Fund Management und der im Staatsbesitz befindlichen Investmentgesellschaft Chongqing Development Investment vor.

 

Durch die Muttergesellschaft Scholz Recycling GmbH wurde dem örtlichen Geschäftsführer der SRW bereits im August 2023 die Befugnis entzogen, Tarifverhandlungen zu führen. Der CEO der Scholz Recycling GmbH, Yongming Qin, ignoriert seitdem die Gesprächsangebote der IG Metall und verstößt unverhohlen gegen die eigenen Unternehmensregeln. Im Code of Conduct der Scholz Recycling, den CEO Qin unterzeichnet hat, steht, dass das Recht auf Tarifverhandlungen respektiert, die Bildung von Gewerkschaften anerkannt und ein offener, lösungsorientierter Umgang mit der Arbeitnehmervertretung verfolgt werde.

Der Code of Conduct von Scholz Recycling findet sich hier: https://www.scholz-recycling.com/wp-content/uploads/11.09.2023_Code_of_Conduct_SRG_DE.pdf

 

 

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